B. Tagsüber – Kairos-Momente

Nimm dir 30 Minuten Zeit, den folgenden Text zu lesen – es lohnt sich. Verschaffe dir einen Einblick was es mit den besonderen/heiligen Zeiten, den sogenannten Kairos-Momenten, auf sich hat.

Lerne die Bedeutung dieser Kairos-Momente erkennen und nutzen.

1. Auf den Kairos kommt es an!

Als 1888 Alfred Nobels Bruder Ludwig starb, veröffentlichte eine französische Zeitung versehentlich einen Nachruf auf Alfred Nobel, indem er als Erfinder des Dynamits verurteilt wurde. Dort hieß es unter anderem: „Der mit dem Tod handelt, ist tot. Gestern verstarb Alfred Nobel. Der Mann, der sein Vermögen machte, indem er einen Weg fand, mehr Menschen schneller als je zuvor zu töten.“ Alfred Nobel war erschüttert davon, wie man sich einmal an ihn erinnern würde und gab einen großen Teil seines Vermögens in eine Stiftung, die Personen von nun an jährlich einen Preis für besondere Verdienste verleihen sollte. Alfred Nobel hatte so die Chance, das Urteil über sein Leben noch positiv verändern zu können.

Fragen zu einer wirksamen Hinterlassenschaft unseres Lebens

  • Was für einen Unterschied macht mein Leben
  • Wo und wie ist mein Leben ein Segen für andere?
  • Wie kann ich die Welt zu einem besseren Ort machen?
  • Wie hinterlässt mein Leben eine bleibende Wirkung?
  • Was werden einmal meine Kinder, Freunde oder Kollegen über mich sagen? 

Jedem Menschen – auch dir – werden im alltäglichen Leben besondere Momente geschenkt! Wer diese Momente erkennt, lebt auf. Wer sie nützt, hinterlässt eine positive, wirksame Spur.

Was meint Kairos? Es gibt zwei Arten von Zeit. Zum einen die „normale“ Zeit (griechisch Chronos). Chronos meint die Lebenszeit, die in Tagen, Stunden und Sekunden von einem Chronometer (Uhr) gemessen werden kann. Zum Zweiten die „ganz besondere“ Zeit (griechisch Kairos). Kairos meint den außergewöhnlichen Moment, den einzigartigen Augenblick im Jetzt. Kairos ist ein griechischer Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenutztes Verstreichen nachteilig ist. 

Den richtigen Zug nehmen. Während der Chronos gemessen wird, wird der Kairos sinnbildlich gewogen, denn er fällt ins Gewicht. Im Kairos ist plötzlich eine Gelegenheit da, für die wir uns im Chronos vergebens abmühen. Ein Adler kann stundenlang auf der Jagd über die Felder kreisen, um schließlich erschöpft aufzugeben, oder er wartet auf die Gelegenheit, in der er in einen Augenblick sein Ziel erreicht. Sensibilität für den Kairos bedeutet, zur rechten Zeit das Rechte zu tun. Bildlich gesprochen: Den richtigen Zug zu nehmen. Das Brot aus dem Ofen zu holen, wenn es fertig ist. Die Äpfel vom Baum zu schütteln, wenn sie reif sind. Einzutreten, wenn die Tür offen ist. Unternehmer sprechen mitunter bei Investitionen von einem strategischen Fenster im Kairos, das heißt von einer Zeit, in der es jetzt dran ist, zu handeln. Auch in der Politik ereignen sich solche strategischen Fenster im Kairos, wie beispielsweise bei der Wiedervereinigung Deutschlands. Einige Monate zuvor und auch einige danach, wäre die Zeit entweder noch nicht oder nicht mehr reif dafür gewesen. Kairos-Momente sind besondere Chancen. Sie treten überraschend und unerwartet in unser Leben ein. Sie sind uns geschenkt, Großartiges darin erfahren und entdecken zu dürfen. Momente, die darauf warten, von uns erkannt und genützt zu werden. Beispielsweise am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, bei „zufälligen“ Begegnungen, mit Freunden, Kindern, Eltern, Ehepartner etc. Im Kairos muss die Gelegenheit beim Schopf gepackt werden und können wichtige Entscheidungen auf Messers Schneide stehen. In der Psychologie wird die Angst, Entscheidungen zu fällen, als „Kairophobie“ bezeichnet. Wir sind zum Gegenteil berufen. Nicht zur Kairophobie, sondern zur Kairophilie (Liebe zum Kairos).

Burn-in oder burn-out-Mensch? Auf den Kairos kommt es an! Den Kairos zu nutzen, bedeutet, sich keinem Aktionismus hinzugeben, sondern auf das besondere Momentum inmitten des Alltags zu achten. Wer den Chronos auszukaufen sucht, ist ein getriebener Burn-out-Mensch. Er wird regelrecht von der Zeit (Chronos) gefressen, indem er chronisch müde, unzufrieden, gehetzt oder krank ist. Indem er Zeit gewinnen will, verliert er sie. Die Zeit und das Leben laufen ihm davon. Der getriebene Mensch verpasst die Gelegenheit (Kairos), die das Leben lebenswert macht. Der Kairos hält eine faszinierende Dimension des Lebens für uns bereit, den der Chronos zu verschlingen sucht. Wer den Kairos nutzt ist ein Burn-in-Mensch. Der Burn-in-Mensch bekommt sein Feuer durch die besondern Momente im Alltäglichen. Er entdeckt inmitten des normalen Lebens die sich bietenden göttlichen Gelegenheiten und kostet diese aus.

Wer den Chronos versucht auszukaufen, ist ein vom Geist der Zeit gehetzter und getriebener Mensch. Dieser Mensch lebt nach dem Motto: Hole alles aus dem irdischen Leben heraus, solange du noch lebst. Wer hingegen den Kairos auskauft, ist ein weise geführter und inspirierter Mensch. Dieser Mensch lebt nach dem Motto: Erfahre das echte Leben, solange du auf der Erde weilst. 

2. Was bedeutet „Kairos“ für mein Leben? 

Für unser Leben benötigen wir nicht nur einen Chronometer, sondern auch eine Art Kairometer. Eine tiefsinnige Ausführung über die Bedeutung des Kairos gibt der Apostel Paulus wenn er schreibt: 

Wach auf, der du schläfst! Steh auf vom Tod! Und Christus, deine Sonne, geht für dich auf. Darum gebt sorgfältig darauf Acht, wie ihr lebt! Verhaltet euch nicht töricht, sondern verhaltet euch weise, wie Menschen, die wissen, worauf es ankommt. Dies geschieht, indem ihr den Kairos nützt.“ (Epheser 5,14ff). 

Was will uns Paulus mit diesen Worten sagen?

  • Du kannst existieren, voller Aktion sein und doch wie tot. Auch Organisationen (ebenso wie Kirchen) können religiös voller Betriebsamkeit strotzen und gehen am wirklichen Leben doch vorbei.
  • Töricht meint, einer falschen Annahme erlegen zu sein. Die Wahrheit nicht wahr haben zu wollen. Quasi  den Fake News zu vertrauen. So baut beispielsweise der Törichte sein Haus auf Sand (Matthäus 7,24ff). Solang es nicht stürmt, also keine Herausforderungen kommen, scheint alles in Ordnung zu sein. Kommt der Sturm, wird seine vermeintlich sichere Lebensgrundlage zerstört. So heißt es auch: „Der Törichte spricht: Es gibt keinen Gott.“ (Psalm 53,2) Was passiert, wenn wir dann in der Ewigkeit vor dem stehen, von dem wir meinten, dass es ihn nicht gibt?  
  • Weise sein, bedeutet, die Dinge zu erkennen wie sie sind und zu wissen, welche Weiche in der jeweiligen Situation zu stellen ist. Aus der Fülle von Informationen das jetzt dazu Passende zu ergreifen. Im richtigen Augenblick das zu sagen oder zu tun, was zu sagen oder zu tun ist.
  • Wenn du den Kairos, das heißt die heiligen Momente, zu nutzen weißt, bist du weise und geistig wach. Wenn du weise agierst und geistig wach bist, hinterlässt dein Leben wirksame Spuren – du bist ein Segen!
  • Wenn du wahrnimmst, ein Segen für andere Menschen zu sein, lebst du ein Leben, das nicht umsonst ist.  Dann darfst du erfahren, wie Gott dich gebraucht – oder wie Paulus es ausdrückt: Christus wie eine Sonne über dich leuchtet. 

Hier werden die Weichen gestellt: Der Apostel Paulus geht davon aus, dass Gott der Schöpfer weiß, wie wir funktionieren und was zu einem gelungenen Leben beiträgt. Gott selbst hat in unseren Geist eine Art Kairometer gelegt, anhand dem wir diese besonderen Momente erkennen können. Wenn du  geistesgegenwärtig bist, erkennst du die besonderen Momente und stellst die Weichen richtig. Die besonderen Momente finden inmitten unseres alltäglichen Lebens statt. In unseren Ehen und Familien, am Arbeitsplatz, in der Wirtschaft, in den Medien, dem Glauben, der Kunst, der Politik und der Bildung. Ob Menschen in ihrem Verantwortungsbereich die besonderen Momente nutzen und damit die Weichen richtig stellen, wird oft in einer Gesellschaft bestimmend sein, ob …

  • Ehen und Familien – für sich Segen (Aufbau) oder Fluch (Abbau) sind
  • Bildungsverantwortliche – der Wahrheit oder der Lüge dienen
  • Wirtschaftslenker – Ressourcen für Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit einsetzen
  • Politiker – die Gesellschaft stabilisieren oder instabilisieren
  • Kunstwirkende – Werte fördern oder verhöhnen
  • Kirchen – Gottvertrauen oder Gottlosigkeit fördern
  • Mediendienste – zum Guten oder zum Bösen hin prägen

ABC–X inspiriert, sensibilisiert und trainiert, die heiligen Momente im Alltag zu entdecken und zu nutzen: 

Dies bedeutet beispielsweise …

  • einen erwartungsvollen Blick auch für kleine alltägliche Gelegenheiten zu gewinnen
  • mein Leben aus den Hinterhof der Bedeutungslosigkeit zu führen 
  • an der Gesellschaft aktiv und kreativ mit einzuwirken 
  • besondere Gelegenheiten am Arbeitsplatz zu erwarten und zu nutzen
  • den Glauben an Gott mit Freude und Gelassenheit zu feiern  
  • das Künstlerische und Schöne des Lebens wahrzunehmen  
  • ein gesundes Familienklima zu fördern

Wenn du die heiligen Momente im Leben zu nutzen weißt, kann dein Leben unmöglich langweilig, wirkungslos oder banal sein. Dann wirst du, ohne zusätzliche Termine und Aufwand, in die Faszination  der „besonderen Momente des Alltags“ mit hinein genommen. Selbst über kleine bisher unbeachtete besondere Momente des Alltags wirst du dich freuen. Wenn du deine Kairosmomente nutzt, hinterlässt du eine wirksame Spur und bleibende Hinterlassenschaft. 

3. Praktische Kairos Beispiele

Ich laufe 1000 Mal an jemandem vorbei und dann ergibt sich eine Gelegenheit, die ganz anders ist als sonst. Eine Situation, in der plötzlich ein Mensch um Hilfe bittet, ein Arbeitskollege kollabiert, die eigenen Kinder eine vertrauensvolle Frage an mich richten oder nach wichtigen Entscheidungen fragen. Zeiten, in denen sich eine scheinbar zufällige Begegnung als besonderer Augenblick herausstellt. Oft wird aus den besonderen Momenten, ein vom Schöpfer geschenkter heiliger Moment. Momente in denen wir etwas von dem erfahren dürfen, wie Gott handelt und uns gebraucht.

Dazu drei Beispiele:

  1. Ich sitze in einem Taxi und unverhofft schüttet mir der Taxifahrer sein Herz aus. Ich sage ihm, dass Gott ihn kennt und sich für ihn interessiert. Darauf sagt er mir, dass er zu Gott keine Beziehung habe. Ich entgegne ihm, dass dies immer so ist, bevor wir Jesus Christus persönlich kennen lernen. Er ist berührt. Wir beten zusammen. Wir sind beide so bewegt, dass wir beinahe das Bezahlen vergessen. Kurz darauf steige ich in einen Zug und denke: Was war das denn gerade? – Eine „ganz normale“ Taxifahrt wird durch einen Kairos zum Heiligen Moment.
  2. Über eine Ebay-Anzeige kaufe ich eine Waschmaschine bei einer mir völlig unbekannten älteren Dame. Während ich die Waschmaschine in ihrer Wohnung zwischen Spinnen und Staub abmontiere, kommt mir ein Gedanke für diese Frau in den Sinn. Ich spreche zu ihr: „Ich empfinde, dass Gott ihnen sagen will, dass er all ihr Engagement gesehen hat, ihre zwei Söhne ohne Ehemann großzuziehen und sich über ihre Treue und Mühe freut.“ Wenige Minuten später sitze ich mit der Waschmaschine im Auto und fahre weiter. Bewegt von der Situation. In einer wenig sakralen Atmosphäre solch eine SMS des Himmels zu einer mir fremden Frau, die davon tief berührt war.
  3. Ein junger Mann fuhr mir an meinem parkenden Auto den Rückspiegel ab. Anstatt Fahrerflucht zu begehen, kam er ans Auto und sprach mich an. Dann wurde der Chronos zum Kairos, als ich das Empfinden hatte, ihm zu sagen: „Es gefällt Gott, dass sie hier ehrlich waren und er wird sie dafür segnen.“ Daraufhin völlig verdutzt der junge Mann: „Wer bitte will mir was sagen?“, worauf ich erwiderte: „Gott“. Sichtlich betroffen darauf der junge Mann: „Danke, so etwas habe ich noch nie erlebt.“

4. Göttliche Momente nutzen

Wir leben in herausfordernden Zeiten. Zeiten, die uns mit Informationen, Sinnesreizen, und Chaos jeglicher Art überschütten. Überfüttert und haltlos mit dem Allerlei unserer Zeit bleibt mehr denn je die Sehnsucht nach mehr. Als Geschöpfe tragen wir unwissentlich oder wissentlich in uns eine Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung – nach einer Berührung und Begegnung mit dem, der alles in allem ist: Gott selbst! Gerade in den besonderen Momenten des Alltags ist viel vom dem, der uns gemacht hat, zu entdecken. Gott ist ein Gott des Alltags. In unserem Beruf, Studium, Schule, Haushalt, Hobby, Nachbarschaft, Verwandtschaft, in Freuden und Leiden will er uns begegnen – da ereignen sich solche heiligen Momente. Diese heiligen Momente sind quasi Gottes Spezialzeiten. Kairos-Momente sind Zeiten, in denen Gott Hand anlegt. Hier kann plötzlich etwas zustande kommen, worum wir uns Jahre vergebens bemüht haben. Erkenne und ergreife die heiligen Momente in deinem alltäglichen Leben! Sie sind dafür da, von uns genutzt zu werden. Hier werden wir in die Faszination eines mit uns lebenden Gottes hineingenommen.

Ich kenne es auch, dass ich wichtige Gelegenheiten vorbeiziehen lasse und ärgere mich dann über mich selbst. Menschen die nach Hilfe gefragt haben, sich mit mir oder anderen versöhnen wollten, nach Inspiration fragten, oder den Sinn des Lebens suchten. Jemand sagte einmal, dass wir nicht den versäumten Gelegenheiten nachtrauern sollen, sondern dann die nächsten Situationen umso mehr zu nutzen. Kairos-Momente sind wie Kerzen, die an uns vorbeigehen und von uns angezündet werden wollen. Verpassen wir eine, sollen wir dem nicht nachtrauern und in dem Ärger darüber auch noch andere an uns vorbeiziehen lassen, sondern die nächste Kerze anzünden. Es gibt den heiligen Moment, in dem wir jetzt und heute handeln müssen, weil es morgen zu spät ist.

5. Praktische Tipps

Es kann sein, dass es dir schwerfällt, heilige Momente in deinem Leben zu erkennen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht da sind. Vielmehr weißt dies darauf hin, dass wir unsere Antenne neu ausrichten müssen. Neu auf Empfang stellen. Wie kann dies geschehen? Dazu einige praktische Anregungen.

5×5 Sekunden: Halte fünfmal am Tag für einen Moment inne und wende dich an den Vater des Himmels für 5 Sekunden indem du beispielsweise folgendes sprichst. „Vater, hier bin ich.“ und je nach Situation „Hilf mir!“; „Vergib mir!“; „Greif du ein!“; „Komm du mit deiner Wirksamkeit in mein Leben!“; „Zeige dich mir!“ oder auch „Ich danke dir!“, „Du bist mein Schild!“, „Du  bist meine Burg!“ etc..

Worship Center: Es gibt Millionen von Worship-Räumen, in die wir uns für einige Momente zur inneren Ausrichtung unserer Antenne zurückziehen können. Auf der Arbeit, im Studium oder in der Schule, selbst in Restaurants und Freizeitparks sind sie zu finden. Damit wir diese Worship Centers (Gebetsräume) erkennen können, steht außen auf der Tür ein Schild: WC!

Vertiefungsfragen

Wo habe ich besondere / heilige Momente in meinem Leben erfahren?

Was hilft mir diese besonderen / heiligen Momente zu nutzen?

Wann habe ich Gelegenheiten verpasst und was sagt das mir?